April 2011

Sehr lange ist es her, seit ich das letzte Mal geschrieben habe.
Meine Sekretärin ist echt faul geworden, aber sie ist ja so lieb, dass ich ihr das verzeihe! Ich bin ja nicht so!

Nun konnte ich sie aber doch überreden, wieder mal zu schreiben. Schliesslich habe ich ja auch was erlebt, was bestimmt nicht jeder Vierbeiner erleben darf.

Es begann vor etwa drei Monaten, Edith war plötzlich sehr beschäftigt mit basteln, leimen und kleben.
Überall waren Schachteln, Bänder, Papierrollen und noch viele andere Sachen. Zuerst bastelte sie eine Torte, mhhhh lecker meinte ich, aber die war nicht zum Verspeisen gedacht, schade!

Klar, meistens bekomme ich ja sowieso keine Torte, aber ab und zu fällt doch ein Brösmeli runter.

Also das war eine Torte aus Papiertaschentüchern, versteh das wer will, aber so etwas Komisches habe ich in meinen acht Hundejahren doch noch nie gesehen.
Aber wenn mein Boss so was macht, muss das ja sicher einen Grund haben.
Tztztz, wofür sind bloss all die Taschentücher gedacht?!
….und dann noch als Torte an einander geklebt?!

Ich verstehe das einfach nicht. Plötzlich schleppte auch Marcel Unmengen Taschentücher an. In allen Farben und Varianten, komisch……

Einmal hörte ich wie Edith am Telefon sagte, sie bastle eine Torte für Freudentränen abzuwischen.
Das wird ja immer komplizierter. Wieso kann man da nicht einfach ein Taschentuch aus dem Päckli nehmen und gut ist …….
Dann verzierte mein Frauchen die Torte auch noch ganz schön.

Das sah aber ganz prächtig aus, Kompliment Boss, gut gemacht! Nun verpackte Edith das Ganze in einen Karton und mit Packpapier.

Das sah nach Postversand aus, hmmmm also ist dieses komische Gebilde nicht für uns gedacht, aber für wen denn sonst?

Naja, bis jetzt hat sich ja jedes Geheimnis irgendwann gelüftet.

Als Nächstes bastelte mein Boss aus einer Schachtel Kleenex Taschentüchern einen Schwarzwälder-Cake.
Was um alles in der Welt wird das bis es fertig ist?!

Das sieht nun aber wirklich lecker aus, wie echt! Ich kenne das, wir fahren ja genug in den Schwarzwald.
Und trotzdem, eine Schwarzwäldertorte aus Taschentüchern ist nun doch zu hoch für mich.
Ah da hat sie ja noch was angeschrieben, mal schauen, vielleicht kann ich es lesen….

„Schwarzwälder Anti-Nervositätsschweiss-Cake“, nein, nein nein, das verstehe ich nun wirklich gar nicht mehr!

Am besten lege ich mich mal aufs Ohr und halte meinen Schönheitsschlaf, das kann nie schaden.

Als ich erwachte war Edith immer noch am Basteln und wieder machte sie ein riesengrosses Paket für den Versand.

Das Cake mitten in die grosse Schachtel, dann ringsrum lauter Papiertaschentücherpäcklis.

Wieder hörte ich Edith am Telefon sagen was sie gebastelt hat. Dabei sagte sie etwas von Hochzeit, wo sie eingeladen ist.

Wau, wau, wau! Die will doch wohl nicht irgendwo hin ohne meine Persönlichkeit??!! Da werde ich aber gewaltig aufpassen, damit ich auch mit darf.
Hochzeit, was ist denn das nun schon wieder? Egal dabei sein ist alles!
Oh ich habe eine Idee, am besten lege ich mich gleich in meinen Hundeschwebekorb, dann sehen meine Menschen sofort, dass ich auch mitgehen möchte.

Aber anscheinend war das nicht an dem Tag, kein Problem, ich lege mich solange in meinen Korb bis es losgeht.

Später bastelte Edith auch noch an einer Schweizerkarte.
Irgendwie machte sie unsere Landesgrenzen dicht.

Ich mag schon gar nicht mehr überlegen, was das geben soll, ich verstehe das ja doch nicht richtig.
Aber aufpassen muss ich trotzdem, dass ich die Abfahrt nicht verpasse.

Irgendwann kam dann auch noch Ediths Schwägerin Edda zu Besuch, da hörte ich wie mein Frauchen sagte: „Könntest Du für unseren Struppi (so sagt mir Edda immer) einen Frack nähen, hier hast Du sein Mäntelchen als Muster“.
Einen Frack will sie nähen, was ist denn das? Mein Mantel ist doch noch ganz schön, ich brauch keinen neuen Wintermantel!

Warum reden die Menschen nur so komisch?

Einmal fuhren wir nach Deutschland in ein riesiges Geschäft, dort probierte mein Boss stundenlang schöne Kleider an.
Gähn war das langweilig!
Ich sass die ganze Zeit ganz brav in meinem Hundeschwebekorb.
Später probierte auch Marcel schöne Kleider an, wow, mein Vizeboss in Anzug und Krawatte!
Da muss etwas ganz besonderes in der Luft sein, das spürte ich ganz deutlich, nur was ……?

Es folgten noch zwei oder drei Sitzungen bei der Schneiderin um die gekauften Kleider anzupassen, da durfte ich auch immer mitgehen, nur mitreden konnte ich leider nicht.

Ich verstehe davon wirklich zuwenig.

Vor etwa zwei Wochen schickte uns Edda, die Schwägerin von meinem Boss per Post meinen Frack.
Edith strahlte übers ganze Gesicht und ich musste sofort antreten zur Anprobe. Also jetzt übertreiben meine Menschen doch einwenig.
Warum muss ich bei 26 Grad am Schatten in der Stube drinn einen Mantel anziehen?!?!

Aber was macht Hund nicht alles für seine Familie.

Hmmm…. Das war aber nicht ein gewöhnliches Mänteli!

Das war aus ganz dünnem Stoff auf dem Rücken schwarz mit weissem Kragen und vorne für die Heldenbrust weiss mit schwarzem Schmetterling.
Ich muss schon sagen, ich sah toll aus in diesem „Fräckli" wie es Edith nannte.
Aber wofür braucht man so etwas?
Warm gibt es nicht, wasserdicht ist es nicht, also für was ist das.

Ich verstehe das einfach nicht.

Edith sagte mir, dass ich das Prachtstück an der Hochzeit von Anja (die kenne ich, das ist das Gottekind von meinem Boss) und Martin anziehen werde.
Juhuiii, es ist geplant, dass ich mitgehen darf an dieses Unternehmen. Ich nenne es mal so, weil ich ja noch immer nicht weiss, was eine Hochzeit ist.
Komisch, alle Patienten in der Tagesstätte wissen was eine Hochzeit ist, nur ich nicht. Edith hat denen erzählt dass ich nun stolzer Besitzer eines Frackes bin. Und die Patienten freuen sich alle auf ein Bild von meiner Persönlichkeit.

Naja, wenn die sich alle freuen, wird es wohl was Schönes sein, wo ich da mitgehen darf. Abwarten und Kauknochen knabbern………..

Von jetzt an redeten meine Menschen täglich von dieser Hochzeit. Edith sagte mir immer wieder, dass sie aus mir ein schönes Buebeli machen wird.
Heeee, ich bin kein Buebeli mehr! Ich bin ein ausgewachsener Norwich Terrier, acht Jahre alt, und somit mittlerweile der Älteste in unserer Kommune.

Die beiden Riesenpakete mit den Taschentuch-Kreationen standen immer noch mitten im Wohnzimmer. Marcel musste diese am Dienstag vor dem Fest zur Post bringen.

Jetzt weiss ich auch, was es mit diesen Unmengen an Taschentüchern an sich hat. Am Donnerstag wurden die beiden (Anja und Martin) standesamtlich getraut.
Das muss etwas sein, wo die beiden vor Freude weinen werden, oder Schwitzen vor Nervosität oder so.
Auf jeden Fall sollten alle Hochzeitsgäste möglichst viele Taschentücher für die beiden auf diesen Tag schicken, damit auch wirklich jede Träne abgewischt werden kann.
Das finde ich aber jetzt nett, dass alle so fürsorglich sind.

Am Freitag spürte ich, dass auch Edith und Marcel etwas nervös waren.

Typisch! Mich im Ungewissen lassen, aber selber kribbelig sein.

Ich warte mal ab was da kommen wird.

Ich bin sehr aufmerksam, damit ich das grosse Ereignis ja nicht verpasse.

Am Freitagabend wurde ich gekämmt, gebürstet und halt schön gemacht. Bin ich zwar immer aber wenn mein Boss denkt, sie muss noch Hand anlegen an meiner Schönheit, dann lass ich ihr das Vergnügen.

Ich geh jetzt schlafen und überlasse das Denken meinen Menschen.

Aber ich verspreche Euch, sobald ich mehr weiss, melde ich mich wieder.

Gute Nacht

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